Alles wird teurer: Das gilt zumindest bei Lebensmitteln. Im vergangenen Monat sind die Preise gegenüber dem Vorjahr um 22,3 Prozent gestiegen. Damit hat die Lebensmittel-Inflation gegen den Trend sogar noch leicht zugelegt.
Die Lebensmittel-Teuerung trifft besonders einkommensschwache Menschen, die einen hohen Anteil ihres verfügbaren Einkommens für Nahrung ausgeben. Daher sind die Preissteigerungen in dem Bereich auch eine soziale Frage. WELT zeigt in Grafiken, welche Lebensmittel besonders im Preis steigen.
Besserung ist nur teilweise in Sicht: Zwar sinken momentan die Energiekosten und die Erzeugerpreise, doch haben die Markenartikler bessere Chancen, Preiserhöhungen durchzusetzen. Aldi startet am Wochenende eine Kampagne für niedrigere Gemüse-Preise – angeblich auf eigene Kosten.
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In den Grafiken ist die aktuelle Teuerung am prozentualen Preisanstieg vom März 2023 im Vergleich mit März 2022 ablesbar. Zum Vergleich: Die allgemeine Inflationsrate, die neben Lebensmitteln auch Energie, Dienstleistungen, Wohnkosten und andere Ausgaben erfasst, hat sich zuletzt abgeschwächt und liegt bei 7,4 Prozent.
Bei Obst und Gemüse waren die Preis-Schwankungen auch in anderen Jahren hoch – schließlich hängt der Preis auch an den Erntebedingungen. Die Trockenheit in Südeuropa hat etwa den Preis für Tomaten zuletzt getrieben. Auch andere Produkte werden rasant teurer: Teure Gemüsegurken etwa waren daher sogar ein Meme in den sozialen Medien.
Das nutzt jetzt Aldi für den Kampf um Kunden: Am Freitag kündigte der Discounter breite Preissenkungen in dem Bereich an. „Wir haben uns entschieden, bewusst auf Marge zu verzichten, um unsere Kundinnen und Kunden in diesen schwierigen Zeiten bestmöglich zu unterstützen“, erklärte Aldi-Einkäufer Lars Kürten in einer Pressemitteilung. Eine Werbekampagne soll auf die Aktion hinweisen, die einige Monate laufen soll.
Allerdings ist sowieso in der Breite eine Abschwächung des Preisauftriebs bei Landwirtschaftsprodukten absehbar: Die Statistiker meldeten am Freitag, im Februar seien die Erzeugerpreise – also diejenigen Preise, zu denen die Landwirte an Handel und Industrie verkaufen – gegenüber dem Vorjahr um 0,7 Prozent gefallen. Im Vergleich zum Vorjahr, also kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs, lagen sie allerdings noch gut ein Fünftel niedriger.
Hinter den Preissteigerungen stehen nämlich auch Folgen des Kriegs: Dünger bleibt teuer, weil Exporte aus der Ukraine erschwert sind. Obwohl die Preisspitzen etwa bei Sonnenblumenöl, das ebenfalls häufig aus der Ukraine stammt, und bei Getreide nach dem Export-Abkommen mit Russland gesunken sind, bleiben auch diese Produkte teuer. Das zeigt auch der Vergleich mit Olivenöl, das weniger im Preis steigt. Sollte Russland das Getreideabkommen zur Lieferung über den Seeweg künftig kippen, könnte es sogar einen erneuten Preisschock geben. Eine Alternative gibt es: Kaum betroffen sind Südfrüchte und Reis.
Bei Snacks schlagen die Rohstoff-Preissteigerungen nur teilweise durch. Mehrere von WELT befragte Produzenten von Senf und Ketchup führen die Preissteigerungen zwar auf Lieferknappheiten bei Senfsaaten und die schwache Tomatenernte zurück. Doch bleiben die Preissteigerungen hinter den Schwankungen der Gemüse-Preise zurück.
Denn bei verarbeiteten Produkten spielen weitere Kosten mit rein – etwa für Arbeitskräfte, Fabriken und Werbung. Diese steigen deutlich weniger schnell. Gerade bei Markenproduzenten, die viel Geld in Werbung stecken, macht der Materialpreis deutlich weniger als die Hälfte aller Kosten aus. Auch Handwerksbäcker geben mehr Geld für die Filialmiete, Arbeitskräfte und Energie aus als für Mehl.
Allerdings verweist die Lebensmittelindustrie auf aufgestaute Teuerung: Ihrer Meinung nach sind die Kosten so stark gestiegen, dass die Supermarktketten in den günstigen Preisverhandlungen auch dann mehr zahlen sollen, wenn die Kosten nicht noch weiter steigen – weil schlicht noch nicht alle Kostensteigerungen auf die Endkunden umgewälzt seien.
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Wie groß der Effekt ist, ist umstritten: Vor allem großen Markenproduzenten haben nämlich zuletzt ihre Gewinnmargen zumindest stabil halten können, leiden also offenbar nicht allzu sehr unter dem Kostendruck.
Immerhin geht der Kampf zwischen Industrie und Handel zurück. Zuletzt signalisierte etwa Rewe, die Konflikte mit Auslistungen und Lieferstopps runterkochen zu wollen. Es könnte also im Stillen noch einige Preisrunden bei Markenprodukten wie Snacks und Süßwaren geben. Bei der Argumentation hilft etwa bei Bonbons und Schokoriegeln der hohe Zuckerpreis, der mit schwachen Ernten zusammenhängt.
Die Entwicklung beeinflusst die Marketing-Strategien im Handel: Zwar kämpfen die Supermärkte darum, Kunden von den Discountern zurückzugewinnen. Doch dabei stehen derzeit eher die vom Handel kontrollierten Eigenmarken wie „Ja!“ im Mittelpunkt, weniger die langsam immer teurer werdenden Markenprodukte.
Bei Getränken zeigt sich der starke Wettbewerb um Kaffeepreise. Tchibo und Aldi haben etwa schlagzeilenträchtig ihre Preise nach Hochständen wieder gesenkt.
Dass die Preise nicht nur von den Kosten, sondern auch von Markenstrategien und dem Spiel von Angebot und Nachfrage gestaltet werden, zeigt sich auch bei Energy-Drinks. Die Getränkekategorie um Marken wie Red Bull und Monster ist zuletzt sogar günstiger geworden.
Einerseits stieg hier der Wettbewerb mit neuen Marken und Billigmarken der Handelsketten, andererseits werden die Dosen immer größer – und das Interesse der meist jugendlichen Konsumenten sinkt. Der Trend zu Influencer-Marken in dem Bereich geht zurück.
Fleisch bleibt teuer. Auch hier schlagen höhere Kosten zu Buche – etwa für Futter, das häufig aus Getreide besteht. Zudem geben in Deutschland jährlich rund zehn Prozent der Schweinehalter auf. Das sorgt für ein knapperes Angebot.
Dazu kommt, dass Handelsketten wie Aldi und Lidl verstärkt auf Fleisch mit etwas mehr Tierschutz setzen. Das kostet etwas mehr. Auch Biofleisch kaufen die Kunden häufiger im Discount statt in teuren Bio-Läden oder bei Metzger.
Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) will langfristig mehr Tierschutz und weniger Fleischkonsum erreichen. Die Politik hat also derzeit wenig Interesse, die Fleisch-Preise zu dämpfen.
Abschwächung gibt es hingegen beim Milchpreis: Die Höchststände aus den vergangenen Monaten sind passé. Die Preise, die die Molkereien ihren Milchbauern zahlen, sind Anfang des Jahres teils um fünf bis sieben Cent gesunken und liegen nun deutlich unter 50 Cent je Liter. Zwischenzeitlich lagen sie bei 60 Cent.
Damit waren die Preise arg durcheinandergekommen: Teils zahlten die Molkereien ihren Bauern für Biomilch kaum noch mehr als für konventionelle Milch. Jetzt normalisiert sich der Markt langsam wieder. Zudem steigt das Angebot an Milch infolge der hohen Preise, die die Einkommen der Milchbauern stark getrieben haben.
Überangebot reguliert die Preise bei Milchprodukten
Das hohe Angebot dürfte auch die gestiegenen Preise für Milchprodukte wie Butter und Quark wieder dämpfen. Margarine war wegen der hohen Pflanzenölpreise zuletzt allerdings keine günstige Alternative.
Teurer werden wie in allen Bereichen vor allem No-Name-Lebensmittel. Bei diesen Eigenmarken des Handels schlagen die höheren Rohstoffkosten voll durch. Die Markenartikel folgen erst verzögert. Auch hier trifft es also die Kunden mit dem schmalsten Budget am stärksten.
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Author: Christopher Mcintosh
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